Noch Luft nach oben
Es sind keine 20 Jahre vergangen, seit es die erste WM für Para-Ruderer gab: 2002 in Sevilla, Spanien trafen sich das erste Mal Para-Ruderer, um an einer WM für Para-Ruderer teilzunehmen. Seither hat sich der Sport stetig international weiterentwickelt. Und wie schaut es in Deutschland aus? Wir haben nachfragt, und zwar bei Marcus Klemp, Nationalmannschaftsruderer im Einer (PR1)
Concept2: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu der Bronzemedaille bei der Ruder EM in Italien. Hast du damit gerechnet?
Marcus: Danke. Nicht direkt – mein Trainer Jochen Weber und ich waren von diesem Ergebnis doch positiv überrascht.
In Kürze: Wie bist Du zum Rudern gekommen?
Marcus: Das ist 25 Jahre her: Damals hatte ich 1996 das erste Mal tatsächlich Kontakt zum Rudersport über einen Concept2 Indoor Rower. Als Jugendlicher hatte ich damals geangelt. Und beim Angeln hatte mich damals der Rudertrainer Herr Müller angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte zu rudern. Damals hatte ich über 20 KG Übergewicht, die ich durch das regelmäßige Rudern recht schnell losgeworden bin.
Wie ging es weiter?
Marcus: 2001 habe ich dann mit Leistungssport begonnen. Ich hatte einfach gemerkt, dass Rudern mein Ding war. 2003 habe ich dann die Silbermedaille im Mixed Vierer bei der WM geholt. Und seitdem habe ich mich peu à peu weiterentwickelt, bis ich vor etwa 1,5 Jahren auf den paralympischen Einer umgestiegen bin.
Warum ist Rudern aus deiner Sicht eine gute Sportart für Para-Sportler?
Marcus: Rudern ist zwar einerseits eine komplexe Sportart, bei der alle großen Muskelgruppen angesprochen werden. Aber weil sie sitzend ausgeübt wird und weil ich auch rudern kann, wenn ich nur eine Teilbewegung ausübe – wie zum Beispiel rudern mit festem Rollsitz, also ohne den Einsatz der Beine - ist Rudern ideal. Zudem bin ich draußen an der frischen Luft. Für Menschen mit optischen Einschränkungen ist Rudern perfekt, weil ich über den Rhythmus im Mannschaftsboot sehr gut das richtige Tempo finde.
Wie und wo können Menschen mit Behinderungen das Rudern ausprobieren?
Marcus: Zunächst einmal können und sollten sie sich immer an Rudervereine wenden, wenn sie Interesse an dem Sport haben. Aber nicht immer haben Rudervereine die nötigen Ressourcen für Menschen mit Behinderungen. Dazu zählen zum Beispiel besondere Boote. Wenn jemand besonderes Interesse hat, möchte ich aber auf jeden Fall auf den Bundesstützpunkt für Para-Rudern in Rüdersdorf bei Berlin aufmerksam machen. Hier gibt es geeignetes Bootsmaterial für Para-Ruderer und die Tür steht immer offen für Interessierte - vorausgesetzt, dass es die Corona-Situation zulässt.
An wen können sich Interessierte wenden?
Marcus: Gerne per E-Mail an das Leistungszentrum unter lutz.buehnert@rudern.de, aber auch gerne an mich persönlich: marcus.klemp@web.de.
Dein Wunsch für das Para-Rudern in Deutschland?
Es hat sich zwar in den letzten Jahren viel getan, aber immer noch findet Para-Rudern kaum in der Öffentlichkeit statt. Unsere Nationalmannschaft ist sehr klein, weil es hier an einem größeren Pool von Para-Ruderern mangelt. Andere Länder so wie die Ukraine, Italien oder England sind hier schon wesentlich weiter. Bei uns in Deutschland ist noch recht viel Luft nach oben. Ich wünsche mir, dass Para-Rudern noch stärker in den Rudervereinen gestärkt wird - sowohl in den Vereinen selbst, als auch auf Landes- und Bundes-Ebene. Ich stehe mit Rat und Tat gerne zur Seite, um diesen Sport in Deutschland weiter nach vorne zu bringen.
URLS für Interessierte in den Vereinen: https://www.rudern.de/sportart-rudern/para-rudern/para-rudern-im-verein
oder Ruderneulinge: https://www.rudern.de/sportart-rudern/para-rudern/werde-teil-des-para-teams
FISA-Klassifizierung (Quelle: Wikipedia)
Auf internationaler Ebene bei Ruder-Weltmeisterschaften und der Paralympischen Regatta wird vom Weltruderverband FISA in den Adaptive Rowing Regulations[17] ein Klassifikationssystem für verschiedene Behinderungen definiert, welches die Startberechtigung in den international ausgetragenen Rennen regelt. An diesen FISA-Wettkämpfen dürfen nur Athleten teilnehmen, die ihre Behinderung anhand des Systems beim Weltruderverband nachgewiesen haben.[17] Es sind folgende Klassen definiert:
PR3 (ehemals LTA – Beine, Oberkörper und Arme)
Die Ruderbewegung kann grundsätzlich mit dem ganzen Körper ausgeführt werden (LTA bedeutet „legs, trunk, arms“ zu dt. „Beine, Oberkörper, Arme“). Die Klasse LTA wird in LTA-PD (körperliche Behinderung) und LTA-B1/B2/B3 (Blindheit bis schwere visuelle Beeinträchtigung nach der International Blind Sports Federation) weiter unterteilt.
PR2 (ehemals TA – Oberkörper und Arme)
Die Ruderbewegung wird nur mit dem Oberkörper und den Armen ausgeführt (TA bedeutet „trunk, arms“ zu dt. „Oberkörper, Arme“). Das Boot hat einen festen Sitz anstelle des Rollsitzes und der Ruderer wird auf Höhe der Oberschenkel mit Gurten fixiert.
PR1 (ehemals AS – Arme und Schultern)
Die Ruderbewegung wird nur mit den Armen und Schultern ausgeführt (AS bedeutet „arms, shoulders“ zu dt. „Arme, Schultern“). Das Boot hat einen festen Sitz anstelle des Rollsitzes und der Ruderer wird auf der Höhe des Brustkorbes mit Gurten fixiert.
ID – geistige Behinderung
Diese Klasse ist für Ruderer mit geistiger Behinderung geschaffen (ID bedeutet „intellectual disability“).